Ausgebeutet und betrogen

Leonie Schöler – „Beklaute Frauen“

von Steffi Engler

Ausgebeutet und betrogen
 
Wie Frauen von Männern 
um ihre Erfolge gebracht wurden
 
Warum bekam die Chemikerin Clara Immerwahr trotz Doktortitel nur eine unbezahlte Assistenzstelle? Wieso erhielt Lucia Moholy, die meistpublizierte Fotografin des Bauhauses, keine Anerkennung? Und weshalb hat Lise Meitner keinen Nobelpreis?“, fragt der Klappentext dieses ungemein interessanten Buches zu Recht. „Beklaute Frauen“ nennt dessen Titel ohne Umschweife den Umstand, daß im Lauf der Geschichte immer wieder Erfolge in Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Kunst, deren Ruhm Frauen zugestanden hätte, ihnen vorenthalten und Männern zugeschlagen wurde. Wie sehr das Thema Autorinnen und Autoren schon lange umtreibt, zeigt das Quellenverzeichnis von 30 eng bedruckten Seiten.
 
Die Historikerin Leonie Schöler legt den Finger in eine offene Wunde, die aller Aufklärung zum Trotz weiter schwärt. Ob es Bertolt Brecht war, der bekanntermaßen schamlos nicht nur die Arbeit Elisabeth Hauptmanns ausgenutzt und als seine ausgegeben hat, ob das Nobelpreis-Komitee trotz des gemeinsam von Otto Hahn und Lise Meitner entdeckten Nachweises der Kernspaltung 1944 nur Otto Hahn auszeichnete, Pablo Picasso, der sich an Stil und Motiven von Malerinnen seines Umfeldes wie Baya bediente oder ob Lou Andreas-Salomé letztlich um den Erfolg in der Psychoanalyse gebracht wurde, den dann Friedrich Nietzsche einstrich – Frauen wurden bis in die Neuzeit intellektuell unterschätzt, ausgenutzt und um ihre Leistung betrogen. Die Liste kann beliebig fortgesetzt werden.
 
Das gilt nebenbei auch für Soldatinnen, die in Stalins Sowjetarmee und in der Volksbefreiungsarmee Mao Tse-tungs Erstaunliches leisteten, aber von den Kerlen in der Bilanz als „Rote Huren, Soldatenflittchen und Frontschlampen“ herabgewürdigt wurden.
Künstlerinnen, Malerinnen und vor allem Autorinnen mußten sich lange hinter Männernamen verstecken, um überhaupt von der Männerwelt ernst genommen zu werden. Ihr so erworbener Ruhm ist gleichzeitig ein Beleg für die Armseligkeit der Männergesellschaft ihrer Zeit.
Frauen schrieben in der Tat Geschichte – und Männer bekamen dafür den Ruhm. Muse, Sekretärin, Ehefrau – es gibt viele Bezeichnungen für Frauen, deren Einfluß aus der Geschichte radiert wurde und für deren Leistungen Männer die Auszeichnungen und den Beifall bekamen.  
 
Leonie Schöler – „Beklaute Frauen“
Denkerinnen, Forscherinnen, Pionierinnen: Die unsichtbaren Heldinnen der Geschichte
© 2024 Penguin, 411 Seiten, gebunden, 22 s/w Abbildungen, Personenregister, Lesebändchen - ISBN: 978-3-328-60323-8
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